Einleitung
Abschlussprüfer in Frankreich unterliegen einer Vielzahl unterschiedlicher Anzeige- und Redepflichten, deren Nichteinhaltung empfindlich sanktioniert wird. Diese Redepflicht besteht sowohl gegenüber den Organen der zu prüfenden Gesellschaften, als auch gegenüber staatlichen Institutionen und Behörden.
Artikel 823-12 des französischen Handelsgesetzbuches stellt die wesentliche Rechtsgrundlage der Anzeige- und Redepflicht dar. Demnach hat der Abschlussprüfer der Hauptversammlung oder anderen zuständigen Organen über Unregelmäßigkeiten und Ungenauigkeiten zu berichten, für börsennotierte Kapitalgesellschaften hat darüber hinaus eine Mitteilung an die französische Kapitalmarktaufsicht, den AMF, zu erfolgen. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, die der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Abschlussprüfung identifiziert, müssen in einem formalisierten Verfahren der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht werden. Darüber hinaus bestehen besondere Regelungen im Bereich der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, nach denen eine standardisierte Mitteilung über das sogenannte Tracfin-Portal zu erfolgen hat.
Versäumt der Abschlussprüfer eine Offenlegung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten an die Staatsanwaltschaft, drohen bis zu 75.000 Euro Bußgeld sowie eine Freiheitstrafe von 5 Jahren. Die Nichtmitteilung durch den Abschlussprüfer wird im Ergebnis also wesentlich härter bestraft, als die durch die Organe der zu prüfenden Gesellschaft möglicherweise begangenen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten. Dies unterstreicht die Qualifizierung des Auftragsverhältnisses und Status der Prüfung als gesetzliche Jahresabschlussprüfung im öffentlichen Interesse. Flankiert wird dieser Status in Frankreich durch eine verpflichtende Mandatierung der Prüfungsgesellschaften für eine Dauer von sechs Jahren sowie der Verpflichtung zum Joint Audit für große Unternehmensgruppen.
- Unregelmäßigkeiten und Ungenauigkeiten
Der Abschlussprüfer berichtet der Hauptversammlung über wesentliche Unregelmäßigkeiten oder Ungenauigkeiten, die er im Rahmen der Auftragsabwicklung identifiziert hat. Solche Feststellungen, die direkten Einfluss auf das zu prüfende Zahlenwerk haben, haben bei unterlassener Fehlerkorrektur zu einer Einschränkung oder Versagung des Prüfungsurteils zu führen. Andere Feststellungen, die beispielsweise Anhang oder Lagebericht betreffen, resultieren in einer Hinweispflicht des Abschlussprüfers, dass Angaben entweder vollständig unterblieben oder fehlerhaft sind.
Unregelmäßigkeiten stellen dabei die Nichtbeachtung von gesetzlichen Vorschriften, Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder Abweichungen von Bestimmungen der Satzung oder Beschlüssen der Hauptversammlung dar. Dabei ist es unbeachtlich, ob die Unregelmäßigkeiten bewusst oder unbewusst herbeigeführt worden sind, beziehungsweise ob sie direkten Einfluss auf die Rechnungslegung haben oder nicht.
Als Ungenauigkeiten gelten fehlerhafte Darstellungen von Sachverhalten in der Buchhaltung und im Jahresabschluss sowie den zugehörigen Dokumenten. Hier gilt ebenso, dass es auf eine bewusste oder unbewusste Falschdarstellung nicht ankommt.
Bezüglich der Feststellungen, die sich weder auf den Jahresabschluss noch auf seinen Anhang auswirken, wie beispielsweise die Versäumung der gesetzlichen Frist zur Re-Kapitalisierung von unterkapitalisierten Gesellschaften, erfolgt eine Ad-Hoc-Mitteilung des Wirtschaftsprüfers an die Hauptversammlung und die relevanten Organe der Gesellschaft.
Im Falle von durch die Gesellschaft vorgenommen Korrekturen vor Abschluss der Prüfung kann der Wirtschaftsprüfer unter Ausübung seines Ermessens und unter Abwägung, ob der Sachverhalt noch Relevanz für die Anteilseigner hat, von einer Berichterstattung absehen.
Im Falle der Prüfung börsennotierter Gesellschaften hat eine formelle Berichterstattung über die Hintergründe und Einzelheiten der identifizierten Sachverhalte an die französische Kapitalmarktaufsicht, den AMF, zu erfolgen. Ebenso muss vorab eine Information an den AMF erfolgen, wenn der Wirtschaftsprüfer plant, das Testat zu versagen.
- Mitteilung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
Unter die mitteilungspflichtigen Sachverhalte fallen alle strafbewährten Verbrechen, Vergehen oder Zuwiderhandlungen ab. Die Straftat muss sich als objektiv erwiesen darstellen, bloße Anschuldigungen oder Verdächtigungen sind nicht mitteilungspflichtig. Der Wirtschaftsprüfer ist ebenso nur verpflichtet, ihm bekannte Sachverhalte mitzuteilen, einfache Unregelmäßigkeiten oder Ungenauigkeiten, die eindeutig nicht auf betrügerische Absichten zurückzuführen sind, müssen ebenfalls nicht an die Staatsanwaltschaft übermittelt werden.
Der Wirtschaftsprüfer muss seine Abschlussprüfung nicht systematisch auf das Entdecken möglicher Straftaten ausrichten, allerdings muss er ein hohes Maß an Sorgfalt walten lassen. Insbesondere hat er zu prüfen, ob der ihm bekannt gewordene Sachverhalt einen strafbewährten Verstoß darstellt, indem er die Anwendbarkeit der Gesetzestexte prüft und das mögliche Strafmaß beachtet. Darüber hinaus muss er die weiteren Folgen des Gesetzesverstoßes nachvollziehen und feststellen, was die handelnden Personen erreichen wollten. In seine Überlegung ist einzubeziehen, ob der Versuch einer Handlung bereits strafbewährt ist und ob die Straftat vollendet wurde.
Mögliche meldepflichtige Sachverhalte betreffen Straftaten aus dem Gesellschaftsrecht, wie beispielsweise die Überbewertung von Sacheinlagen, aus der Unternehmensführung, wie beispielsweise die unrechtmäßige Bereicherung, Bilanzfälschungen oder Verstöße gegen den Schutz von Aktionären oder sonstige Gesetzesverstöße, wie beispielsweise die Behinderung der Abschlussprüfung oder Behinderung von Kontrollen der Finanzmarktaufsicht AMF. Die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft erfolgt postalisch, es sind alle Feststellungen, Erläuterungen und Unterlagen beizufügen, die der Staatsanwaltschaft zweckdienlich sein könnten. Hierbei ist zu beachten, dass der Abschlussprüfer keinerlei Würdigung des Sachverhaltes vorzunehmen hat.
Die Mitteilung an die Staatsanwaltschaft hat ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen, allerdings wird dem Wirtschaftsprüfer eine angemessene Zeit zur Beurteilung und Analyse des Sachverhaltes eingeräumt. Im Regelfall soll die Frist unter einem Monat betragen. Wenn der identifizierte Sachverhalt Auswirkungen auf den Jahresabschluss hat, so ist im Testat auf diesen einzugehen. Es sind allerdings keine Angaben zur Aufdeckung der Straftat oder detaillierte Angaben zum Vergehen zu machen. Ebenso ist der Wirtschaftsprüfer nicht verpflichtet, im Rahmen seiner Berichterstattung an den Mandanten darauf hinzuweisen, dass eine Weiterleitung von Informationen an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. In der Praxis wird z.B. bei Verstößen gegen die Offenlegung des Jahresabschlusses oder Nichtaufstellung eines Konzernabschlusses der Mandant durch den Abschlussprüfer über die Anzeige informiert werden, um ihm die Möglichkeit einzuräumen, die unterlassenen Handlungen nachzuholen. Bei Straftaten mit Verdunklungsgefahr wird der Abschlussprüfer davon Abstand nehmen, den Mandanten über eine Anzeige zu informieren, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, gegebenenfalls an der Verschleierung mitgewirkt oder diese ermöglicht zu haben.
- Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
In Frankreich gelten besonders strenge Regelungen für Abschlussprüfer und andere freie Berufsgruppen im Zusammenhang mit der Identifizierung von Geldwäscheverdachtsfällen bei ihren Mandanten. Der Abschlussprüfer ist verpflichtet, bei Vorliegen von Tatsachen, die einen Geldwäschefall belegen könnten, aber auch bereits bei losen Verdachtsmomenten oder möglichen Risikokonstellationen, wie beispielsweise unklaren Eigentumsverhältnissen, Geschäften mit Steueroasen oder ähnlichem, eine Mitteilung über das Tracfin-Portal an das Wirtschaftsministerium zu schicken. Darüber hinaus muss er bei Vorliegen derartiger Sachverhalte diese an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Diese Mitteilung erfolgt streng geheim, insbesondere dürfen keinerlei Informationen über den Inhalt oder das Vorhandensein der Mitteilung mit Dritten geteilt werden. Der Abschlussprüfer behält über diese Anzeige keinerlei Aufzeichnungen, damit diese nicht ggf. im Fall externer oder interner Nachschauen entdeckt werden kann. Bei KPMG werden diese Anzeigen in einer separaten Stelle verwahrt.
- Fazit
Die Anzeige- und Meldepflichten in Frankreich sind vielschichtig und bedürfen vor dem Hintergrund des hohen Strafmaßes bei den Versäumnissen durch den Abschlussprüfer einer besonders sorgfältigen Prüfungsorganisation- und Durchführung. Darüber hinaus bestehen besondere Verfahren und Pflichten des Abschlussprüfers bei der Identifikation von Going-Concern-Risiken, bei unterkapitalisierten Gesellschaften und bezüglich der Mitwirkungs- und Auskunftspflichten gegenüber dem AMF bei seinen Prüfverfahren.
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